Es geht wieder los - am südwestlichsten Punkt Europas


 Am 1.2.2011 gegen 18 Uhr erreichen wir erschöpft das kleine Anwesen von Chris und seiner Familie bei Sao Teotonio im Südwesten Portugals. Wir laden als erstes die Pferde aus und versorgen sie. Später werden wir von Patricia mit leckerem Fisch und Salat verwöhnt. Am nächsten Tag reisen Hansi und Angie, unsere tapferen Transporteure, weiter. Sie haben noch ein paar Tage Urlaub und wollen ihre Heimreise mit etwas Kultur würzen. Euch beiden Lieben, nochmals ein herzliches Dankeschön - es war toll!!!


 


 Für uns beginnt nun die zweite Phase der Vorbereitungen. Zu Hause haben wir alles Material zusammen gestellt. Bei Chris beziehen wir ein kleines Blockaus und hier beginnen die Feinarbeiten.


 Ro arbeitet Tag und Nacht Routen und Kartenmaterial am Computer aus, die Ausrüstung wird nochmals durchgecheckt und geordnet, die Sättel werden angepasst.


 ...und ein wenig entspannen tun wir uns zwischendurch auch...


 Dann kommt die heiße Phase. Chris organisiert uns einen Transporteur und dieser setzt uns die Deadline. Nun ist ES soweit, wir sind unterwegs... :-) Am 26.2.2011 sind wir gestartet. Der Transporteur fährt uns mit den Pferden zum Cabo de Sao Vicente, dem südwestlichsten Teil Europas!


 Dort beginnt auch der Fernwanderweg Via Algarviana, auf dem wir die ersten 220km unserer Strecke zurücklegen wollen. Es gibt noch eine Fotosession am Leuchtturm (siehe www.algarvetrail.com) und gegen 14:00 sitzen wir auf unseren Pferden und reiten los in unser neues Abenteuer.


  Eine ganze Weile genießen wir noch die schöne Aussicht auf die herrliche Brandung um dieses Riff, dann führt uns der Weg von der Küste weg ins Land. Der Atlantik wird uns noch viele Tage am Horizont begleiten.


 Nun haben wir die Erde die ersten 160km unter unseren Hufen gedreht und jeder Tag war einmalig schön. Mit dem Wetter haben wir großes Glück. Wir überqueren die Gipfel des Foja (ca. 1000mNN) und des Picota (ca. 800mNN) an zwei aufeinander folgenden Tagen bei herrlichstem Sonnenschein.


 


 Der Wind ist kräftig und frisch, die Luft klar und die Sonne wärmt Körper und Seele gleichermaßen. Es ist körperlich sehr anstrengend, aber die Ausblicke und die Landschaft entschädigen uns für alles. Abends sitzen wir mit einem dampfenden Tee in den Händen vor unserem Zelt, lauschen dankbar dem zufriedenen Kauen und Schnauben unserer Pferde und lassen die Erlebnisse auf uns wirken.


 


 Mit unseren Nachtquartieren haben wir bisher ebenfalls viel Glück. Wir finden fast immer rechtzeitig ein ruhiges Plätzchen mit viel sattem Gras (dem feuchten Winter sei dank) und traumhaftem Ausblick auf den fernen Atlantik oder die weiten Hügelketten der Algarve.


 


 Der letzte Tag vor unserer ersten längeren Rast wird sehr hart. Ein Tiefdruckgebiet baut sich hinter uns auf und wir wollen vor ihm an unserem ersten Pausenplatz ankommen. Uns fehlt ein einziger Tag. Als wir Abends das Haus eines Bekannten von Chris, Harro, erreichen, sind wir im wahrsten Sinne des Wortes am Ende unserer Kräfte angelangt. Keinen Meter mehr wollen uns die Füße noch tragen. Die Pferde sagen schon lange keinen Piep mehr und laufen, wie auch wir, einfach nur noch, ein Fuß vor den anderen, nur vorwärts. Es wird inzwischen dunkel.
Wir laufen weiter, weil wir ja ein Ziel haben und schaffen es gerade noch vor dem großen Regen anzukommen. Beim Versorgen der Pferde läuft uns das Wasser noch einmal den Rücken herunter, aber ein warmes Haus und ein leckerer Pfefferminztee wartet schon auf uns.
Nun sitzen wir in Harro's schönem Haus und der zweite Ruhetag neigt sich dem Ende. Die Wettervorhersage verspricht nichts Gutes. Vermutlich "müssen" wir bis Mittwoch warten, ehe wir weiter reiten können. Die Gewitter und die Regengüsse hier sind schon sehr heftig, da ist es schön, ein Dach über den Kopf zu haben.
Den Pferden tut die Pause gut. Chris hat uns Kraftfutter und Heu gebracht, das wir zusätzlich zum hier noch spärlich wachsenden Gras füttern.


 Auf den mageren Weideflächen, die wir einzäunen dürfen, stehen auch zwei alte Alfa-Roba Bäume, deren schotenartige, nussig süsslichen Früchte, auch den Pferden hervorragend schmecken.
Hier in Portugal ist das oft der Ersatz für Hafer als Kraftfutter.


 Gestern waren die beiden noch träge und, sie haben viel gedöst. Heute haben sie schon wieder mehr Energie und genießen entspannt die regenfreien Phasen. Es sind ja bekanntlich die Ruhetage, die Kraft und Ausdauer zunehmen lassen.
Uns geht es im Übrigen nicht viel anders. Auch nutzen wir die Zeit um noch ein paar Verbesserungen an unserer Ausrüstung vorzunehmen. In den Felsen des Picota hat es Aponi einen Gaiter zerfetzt. Den gilt es nun zu reparieren. Das geht in Harro's Wintergarten natürlich am besten.


 Der Via Algarviana ist ein sehr schöner Fernwanderweg durch das Küstengebirge - auch toll zu reiten und eine echte Empfehlung. Chris bietet dort einen Wanderritt an - bei Interesse einfach unter Algarvetrail nachsehen :-)


 Km 266, hinter Vaqueiros verlassen wir den Via Algarviana. Er führt wieder nach Süden, wir aber wollen in den Norden, Richtung Castelo Branco. Etwas wehmütig winken wir noch einmal den treuen Schildern hinterher, dann beginnt ein neues Abenteuer.
Wir nähern uns einem Gebiet in Portugal, das intensiver landwirtschaftlich genutzt wird und es gibt hier riesige Schaf- und Rinderweiden. Überall sind Zäune. Wir wollen weiterhin die Strassen möglichst meiden und kleine Wege bereisen. Das geht auch... wir haben Glück und es gibt fast immer ein "Farmers-Gate".


 Die Landschaft ist traumhaft schön und abwechslungsreich, kein Tag gleicht dem anderen. Körperlich ist es hart. Bis wir nach 360 km an Mertola vorbei ziehen, wo die Berge sanfter werden, geht es gewaltig Auf und Ab.
Das Wetter ist uns auch wieder auf den Fersen. Kalt- und Warmfronten schütteln sich über uns die Hände, der Temperaturwechsel, begleitet von leichtem Landregen bis heftigen Gewittern und Regengüssen, hat Lehrbuchcharakter. Vier Tage mit durchweichten Schuhen und Kleidern fordern ihren Tribut. Aber wir lassen uns nicht einschüchtern und trotzen den Halsschmerzen mit vielen frischen Apfelsinen und heißer Brühe.


 


 


 Nördlich von Mertola machen wir wieder eine Rast. Wir erreichen das herrliche Anwesen der Familie Winter. Sie sind Angus- und Quater Horse Züchter. Hierhin haben wir ein Paket aus D schicken lassen.
Unser Hufschuh-Equipment benötigt nochmals eine Überarbeitung. Amiras Vorderhufe haben sich doch sehr verändert. Die Schnabelungen sind verschwunden bzw. herausgewachsen und möglicher Weise braucht sie nun tatsächlich eine kleinere Größe...
Auch das altbekannte Haarbruch-Problem hat uns eingeholt. Wir haben zu Hause viel recherchiert und ausprobiert. Heraus kam eine Unterlegschabracke, die wir mit Dekubitus-Fell und im hinteren Bereich zusätzlich mit einer gleitfähigen Kunstlederschicht versehen haben. Für Aponi reicht das aber definitiv nicht aus - vor allem jetzt im Fellwechsel. Auf den 1800km ins Baltikum hatten wir einen Woilach im Gebrauch, was gut funktionierte (allerdings sind wir auch erst nach dem Fellwechsel gestartet). Aber bei viel Wind oder wenn das Pferd wegen vieler Stechfliegen häufig mit der Rumpfhaut zuckt, ist es eine gewaltige Geduldsprobe, den Woillach faltenfrei und in der richtigen Position unter den Sattel zu bekommen. Das hatten wir gehofft, mit der neuen Lösung umschiffen zu können. Wir werden eine Lösung finden! (später bekam Aponi ein afrikanisches Ziegenfell unter den Sattel)


 50 Tage sind wir nun unterwegs, die Rasttage mit eingerechnet. Am 16.4. erreichen wir La Codosera. Hier leben Horst und Sybille mit ihren Pferden auf ihrer Finca La Herradura. Bei ihnen kann man übrigens den "Trans Portugalia Trail" buchen (www.fincalaherradura.com). Ein sehr schöner einwöchiger Wanderritt von Spanien quer durch Portugal an den Atlantik, den Roland vor ein paar Jahren einmal geritten ist - wirklich empfehlenswert. Über 700km liegen nun hinter uns, und die Landschaft ist immer wieder traumhaft schön, egal, ob es durch die Berge oder über die Ebenen geht. Die intensiv genutzten Agrargebiete umrunden wir nach Möglichkeit. Manchmal lässt es sich nicht vermeiden und hier stehen wir des öfteren vor verschlossenen Toren und manchmal auch Menschen.


 Zwischen Mértola und La Codosera ist viel passiert. Aponi, ebene Sandböden gewohnt, entwickelt sich zu einer Ballerina in den Felsen und Schafe und Schweine interessieren sie nicht mehr als eine Fliege am Po. Auch Amira zeigt uns ihre Qualitäten und wir dürfen so manches mal staunen. Als uns auf einer dieser riesigen Weiden eine Horde neugieriger Schweine folgt, dreht sich Amira nach kurzer Anfrage an ihre Reiterin um, legt die Ohren an, senkt den Kopf und scheucht die vorwitzigen Tierchen davon. Ihr Jagdinstinkt wird uns ab jetzt des öfteren sehr willkommen sein.
Lediglich wenn es darum geht, Pferdeweiden zu durchqueren, wird er zu einem Problem. Sie versucht natürlich Aponi zu beschützen und legt sich, wenn es sein muss, mit der ganzen Herde an. Dann ist es nicht mehr so lustig, auf ihr zu sitzen. Zwei mal müssen wir da durch, es geht gut.


 Zwei Verluste sind zu beklagen. Ein Sattelhorn wird Opfer einer jungen Steineiche und das gute Wrenger-Taschenmesser mit der kleinen Säge geht verloren. Bei beidem steht uns Horst hilfreich zur Seite. In seiner kleinen Schmiede bastelt er ein Provisorium und Taschenmesser hat er reichlich. Später gibt es noch ein Happyend. Sybille, wieder mit einer Gruppe Reiter unterwegs, findet das Messer auf dem Weg und lässt es uns bringen. Vielen vielen Dank Euch beiden!!!!


 Die Wettervorhersage kündigt zwei aufeinander folgende Tiefdruckgebiete an. Wir schauen uns an und nicken. Inzwischen sind wir schließlich Wetterprofis. Da müssen wir durch. 10 Tage soll dieses Wetter anhalten und genau so lange schätzen wir, brauchen wir bis zu unserem nächsten Quartier. Den ersten Regentag sitzen wir noch in der Schmiede bei Horst und Sybille aus, beobachten wie die Regengüsse, mal mehr mal weniger, das Land bewässern. Am nächsten Tag satteln wir und ziehen los.


 Gegen späten Nachmittag beginnen wir wie gewohnt, einen Lagerplatz zu finden. Irgendwann gerät auch das beste Regenzeug an seine Grenzen und unsere Schuhe sind mittlerweile durchweicht und die Hände rot vor Kälte und Nässe. Daher halten wir Ausschau nach einem festen Dach - das kann ein Überstand oder ein alter Stall sein.
Nein, wir sehen ein Schild mit der Aufschrift "Jugendherberge". Das Gelände ist eingezäunt und voller gutem Gras. Hier klopfen wir an und erfahren von der Herbergsleitung, das die Pferde auf gar keinen Fall auf dem Gelände bleiben dürfen und ob wir denn überhaupt einen Jugendherbergsausweis haben???!!! Nein, soso! Wir schauen uns an und können nur noch mit dem Kopf schütteln, als man uns noch eine gute Weiterreise wünscht. Es ist inzwischen nach 18:00 Uhr und der Tag neigt sich dem Ende.


 Tag 60, 1000km Portual. Wir erreichen die schöne Finca von Sepp und Anja Schreiber bei Idanha-A-Nova, nahe Castelo Branco, an einem herrlichen Stausee gelegen. Sie betreiben mit ihren beiden Kindern eine kleine Biofarm und verkaufen ihr köstliches Olivenöl direkt in Deutschland. Hier werden wir verwöhnt mit allerlei leckeren Sachen aus Anjas Hausgarten. Hier gibt es so gut wie alles, von A wie Araber-Pferde bis Z wie Zahmes Hausschwein. Auch sie bieten wunderschoene Wanderritte durch die Hügellandschaft um den imposante Berg Monsanto an. (-> zu Sepp und Anja)
Oben auf dem Gipfel liegt das gleichnamige verwunschenen Örtchen mit seiner alten Festung und herrlichem Rundumblick.
Wir sind froh, hier wieder ein Dach zu bekommen, denn es beginnt eine weitere Regenperiode und unsere Routenplanung bedarf der Erweiterung. Die beiden haben uns über den befreundeten Bürgermeister Kartenmaterial zusammen gesucht und wir entscheiden uns, unseren Ritt durch das Zentraliberische Scheidegebirge Richtung Madrid fortzusetzen. Die größere Höhe verspricht angenehmere Temperaturen, üppigeres Gras und eine abwechslungsreiche Gebirgslandschaft, jetzt wo wir langsam in die trocken-heiße iberische Hochebene vorstossen. Wir aber werden uns zwischen 1000 und 1600 Höhenmetern bewegen.


 Die nächsten 200km führen uns also in die Berge und das Klima ist tatsächlich sehr angenehm. Gelegentlich gibt es einen Regenschauer, der uns erfrischt und das Gras sprießen lässt.
Wir reiten entlang der Sierra de Gata, durchqueren ein weites Tal um einen Stausee herum und steigen dann ein in die Sierra de Gredos.


 Und wieder einmal sind wir begeistert von der Vielfalt der Landschaft. Unser Weg führt uns über Cañadas und Cordels. Das sind öffentliche Viehtriebswege aus Zeiten, als es noch keine Massentransporte gab und die Weidetiere im Sommer aus den glutheissen großen Ebenen in die noch fruchtbaren Berge getrieben wurden...
Es sind ca 50-70m breite Streifen, i.d.R. häufig mit einer Fahrspur aus Schotter, Sand oder Grasland und sind wunderbar zu bereiten. Es gibt immer wieder verlässliche Wasserstellen durch Fuentes (Quellen) und Bachläufe! Auf den Canadas tummelt sich freilaufend so allehand Getier von den Einwohnern der Umgebung, die kein oder nur wenig eigenes Land besitzen. Mitunter auch stattliche Pferdeherden, die man Nachts auch schon einmal "ermahnen" muss, vielleicht doch besser zu verschwinden, als sich mit unseren tapferen Begleitern anzulegen.


 Diese Wege verbanden auch die Dörfer und Städte zu Zeiten, als es noch kein Asphaltstraßen gab. Zurück gehen sie auf ein Gesetz aus dem sechzehnten Jahrhundert, welches in Teilbereichen bis heute gilt und ein Grund dafür ist, das auch heute noch mitunter weite Unterführungen unter neuen Autobahnen gebaut werden um dem Gesetzt zu entsprechen und den Viehtriebsweg nicht zu unterbrechen.


 


 Einige Zeit folgen wir dem GR10, der teilweise auch über diese Ziehwege führt. Langsam wird es heißer. Viele sprudelnde, klare Gebirgsbäche liegen auf unserem Weg, und jede Badestelle wird dankend angenommen. Kurz vor Aldeanueva erwischt es uns dann doch.


 Über 3000km ist alles gut gegangen. Mal etwas Fiber, mal etwas Schnupfen, Kratzer und Schrammen hie und da, nichts, was uns wirklich hätte aufhalten können. Aber ein Unfall mit einem verletzten Knöchel zwingt uns nun, in dem netten, kleinen Städtchen ein gutes Quartier für unsere Pferde zu finden. Die Familien Sanchez und Feles helfen uns wo sie können. Ganz ganz herzlichen Dank noch mal an dieser Stelle!!!
Der ansaessige Arzt untersucht Ro's Bein. Nein es ist nichts gebrochen, aber die Bänder sind gezerrt und 10 Tage Ruhe und ein Stützverband werden angeordnet. Ausgerechnet hier steht uns als nächstes eine kernige Bergetappe bevor. Während wir noch überlegen, was und wie wir vorgehen, fange ich mir einen Magen-Darm-Virus ein, der kurz darauf auch Ro erwischt. Insgesamt kostet uns dieser Umstand eine kostbare Woche, denn langsam wird es Sommer...


 Aber dann sind wir beide wieder auf Kurs und mit vielen guten Wünschen von Sanchez' gehen wir unseren ersten 1500m-Berg an. Aldeanueva liegt auf ca. 400m ü. NN und die Strecke über den Berg ins dahinter liegende Tal misst ca. 20 km - Auf- und Abstieg in etwa gleich lang. Joachim Sanchez ist selbst Reiter und er und seine Frau wandern gerne. Von ihnen bekommen wir viele wertvolle Tipps zu dem kleinen Pfad über den Berg.


 Km 1185, wie man es von Klettersteigen her kennt, beginnt alles mit einem netten breiten Feldweg, der nach und nach immer schmaler wird, bis es nur noch ein Trampelpfad ist. Über Felsen, Geröll und ein ca. Einkilometer langes, schmales Bachbett geht es steil bergan.


 Amira und Aponi benehmen sich musterhaft, klettern wie Bergziegen über das Geröll. Beide haben ihre eigene Art, diesen Weg zu meistern. Während Aponi in schneller Schrittfolge über die lockeren Steine tänzelt, Ro muss sie ab und an in ihrem Eifer etwas bremsen, setzt Amira überlegt einen Fuß nach dem anderen, erst vorne, dann hinten, immer wieder die Nase prüfend am Boden.


 Dann endlich ist es geschafft. Wir sind oben auf dem Pass und natürlich müssen wir dr Tradition folgend die aufgestellte Glocke läuten.


 Die Aussicht ist traumhaft. Wir blicken in das "valle de Cerezas" in der Ferne, in welches wir auf ca. 500m über NN wieder absteigen werden. In diesem "Tal der Kirschen" reiht sich eine Pflanzung an die nächste. Es ist gerade Erntezeit,und wir bekommen Tütenweise Kirschen geschenkt, oder sie wachsen und buchstäblich in den Mund. Wir essen, bis uns schlecht ist. Oh wie lecker süß sie sind! Jedes Fleckchen ist mit Kirschbäumen bepflanzt, und es wird spät, bis wir einen geeigneten Übernachtungsplatz finden. Wir alle sind nun doch gewaltig erschöpft.


 Die Sonne scheint und ein erfrischender Wind bläst uns ins Gesicht. Es geht erneut stetig bergauf, dieses mal aber etwas sanfter, und zwischen den Dörfern treffen wir wieder auf einen Cordel.


 Der Blick zurück ins Valle de Cerezas ist atemberaubend und wir sind froh uns trotz unserer Wehwehchenüber für die Überquerung der Bergkette entschieden zu haben. Abenteuer(lich) ist es allemal und so abwechslungsreich wie ein riesiger kunterbunter Garten. Aus dem Staunen kommen wir kaum mehr heraus.


 Die Übernachtungsplätze sind ganz nach Mira's Geschmack. Sie liebt es, auf einem Berg zu stehen und kilometerweit in die Ferne blicken zu können, oder wenn es ein Platz an einem See ist, über das Wasser zu schauen, bisweilen Boote und den Horizont zu beobachten. Dann wendet sie manchmal den Kopf und blickt uns an, als wenn sie sagen wollte "Danke, das habt ihr aber wieder schön ausgesucht :-) .


 


 


 Leider bleibt uns das schöne Wetter nicht lange erhalten und wir werden wieder mal von sich ablösenden Warm- und Kaltfronten eingeholt.


 Es wird immer heftiger, unsere Sachen werden mittlerweile nicht mehr trocken bis zum nächsten Guss. Mal ist es schwülwarm, dann wieder windig und kalt. (Nein, das ist ein anderes Bild als zuvor, es sieht halt nur gleich aus ;-)
Wir beginnen nach einem Dach Ausschau zu halten und erfahren von einem Stallbesitzer nahe Burgohondo. Diesen suchen wir auf. Ein gewaltiges Gewitter ist uns auf den Fersen. Wir finden den Stall, aber es ist niemand mehr dort. Auf dem Pferdetransporter steht eine Telefonnummer, die wir anrufen. Die Begeisterung am anderen Ende der Leitung hält sich in Grenzen. Wir haben Verständnis, es ist nach 19 Uhr, es regnet und wir sind völlig fremde Leute, Ausländer auch noch, die ihn nun von seinem wohlverdienten Feierabend-Sessel wieder hoch scheuchen. 15 Minuten später ist er da. Nein, er hat keinen Platz für uns. Das Gewitter ist mittlerweile über uns, es regnet aus Gieskannen und waagerecht, der Wind ist heftig. Wir sind platt. Nicht mal einen Stall hat er für uns, wo doch alles leer steht. Auch eine kleine abgefressene Koppel nebenan will er uns nicht geben. Er zeigt uns ein Stück Brachland auf der anderen Strassenseite ohne Futter - wir lehnen dankend ab!


 Wir verabschieden uns. Um noch etwas halbwegs vernünftiges für die Pferde zu finden, müssen wir schleunigst weiter. Er wartet tatsächlich, bis wir sein Gelände verlassen haben. Wir verlassen bald die vielbefahrene Hauptstraße und biegen in einen Feldweg ein. Alles ist eingezäunt oder von angepflockten Pferden bereits belegt. Da sehen wir einen ein Kleintransporter vor einem Weidetor stehen, der Fahrer lädt gerade mit Stroh gefüllte Säcke ein. Wir eilen hin, zeigen auf die Weide und bitten um die Erlaubnis, dort ein paar Quadratmeter abzuzäunen und vielleicht unter dem kleinen Vordach des angrenzenden Stalles unser Zelt aufzuschlagen, nur diese Nacht, Morgen frueh wandern wir weiter. Der Mann schüttelt bedauernd mit dem Kopf. Nein, er müsse es schneiden und zu Heu machen. Er habe keinen Platz für uns. Ja, heute Nacht wird der Regen noch heftiger, morgen wird es etwas weniger sein. Er zeigt auf einen kleinen zugewucherten Pfad zwischen zwei riesigen, satten Weiden. Dort weiter könnten wir eventuell etwas finden und wünscht uns eine gute Reise. Wir sind sprachlos, koennen ein wenig Maria und Josef nachempfinden... Wir finden einen schönen Platz. Wo, das verraten wir nicht.


 Durch die hinter uns liegenden überwundenen Höhenmeter, das Wetter und die enttäuschenden Erfahrungen zunehmend erschöpft, sind wir fast erschrocken, als wir im nächsten Dorf, das wir erreichen, Navalmoral, von einem Einheimischen auf englisch freundlich angesprochen werden. Er ist sehr hilfsbereit, fast als wenn er alles wieder gut machen wollte, was uns kurz zuvor wiederfahren ist. Vielen vielen Dank an dich, für diese Gedankenkorrektur!!!
Und tatsächlich, das Wetter wird besser, die Menschen, die wir treffen, sind begeistert von unserem Tun und spontan hilfsbereit und bald finden wir eine Bleibe nahe El Barraco. Die Familie Maury betreibt hier u.a. Ferienhäuser und ein kleines, in unser Budget passendes Häuschen wird uns aufgeschlossen. Die Pferde dürfen auf die nebenan liegende große Bergweide. Das Quartier liegt 10km außerhalb von El Barraco und Roberto Maury fährt uns mehrmals in die kleine Stadt zum einkaufen und email checken. Ja einmal fährt er sogar mit uns extra nach Avila, für ein paar Dinge, die es in El Barraco nicht gibt. Wir schlafen und schlafen und schlafen und die Sonne scheint wieder, auch wenn es gelegentlich mal schauert. Wenig später lernen wir noch zwei Engel kennen, Roberto und seine liebe Frau Lola. Sie wohnen nicht weit von unserer kleinen Casa entfernt, fahren mit uns kreuz und quer durchs Land und laden uns ein, ihr Internet zu nutzen und ganz nebenbei sind die beiden ganz hervorragende Köche mit viel Muße und Liebe. Wir gestehen, es fällt uns nicht leicht, den Tisch wieder zu verlassen, um die kostbare Surfgelegenheit zu nutzen.
Hier planen wir auch unsere Weiterreise Richtung Pamplona und weiter in und durch die Pyrenäen.


 Tag 100 ist überschritten, 1400 wunderschön Kilometer liegen hinter uns. Vor uns ein neues, großartiges Gebirge. Zwischen El Barraco und Soria befindet sich die Sistema Central, eine Gebirgskette mit Höhenzügen um die 2000m. Dieser wollen wir hoch oben auf den Cañadas Richtung Nordost folgen. Nur in diesen Höhen können wir im heissen iberischen Sommer noch mit ausreichend Wasser und Gras für unsere Pferde rechnen denken wir.
Und genauso ist es.


 Mehr und mehr werden die Cañadas beweidet. Nicht nur Rinder, sondern immer mehr auch Pferdeherden. Es wird fast schon Routine, durch sie hindurch zu reiten. Wir haben Freude an dem Anblick dieser weitgehend frei lebenden Tiere. Ungezähmt und wild. Oft kommen sie bis auf ein paar Meter an uns herangaloppiert, stoppen und beobachten uns. Amira, unsere Herdencheffin sichert Aponi. Sie weicht ihr nicht mehr von der Seite. Häufig folgen die Pferde. Dann müssen wir sie beherzt vertreiben, und ihnen somit klar machen, dass unsere Pferde nicht Bestandteil ihrer Herde werden können. Die Nachtquartiere suchen wir bevorzugt weit genug weg von solchen Herden. Bis auf eine Nacht gelingt uns das auch. In dieser Nacht werden wir von Mira’s Wiehern geweckt. Sie kommen! Wir sind sofort hellwach. Ro ist als erster draußen. Nahe an unserem Weidezaun sehen wir die Silhouetten von ca. 15 Pferden aufgereit. Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Mira läuft nervös hinter dem winzigen Weidezaun auf und ab um Aponi abzuschirmen.
Ro scheint völlig cool. Wer ihn kennt, weiß, wie es sich anhört, wenn er von einer Sache absolut überzeugt ist. Ja, es erstaunt mich immer wieder aufs Neue. Er marschiert wie ein Tiger mit aufgestelltem Nackenfell auf die Herde zu und sagt schlicht: “und ihr haut hier jetzt ab, aber SOFORT!“ Selbst ich muss schlucken. Sein Tonfall lässt instinktiv keinen Zweifel darüber offen, dass bei einer möglichen Nichtbeachtung dieses Wunsches im Zweifelsfall der Kopf rollt. Die Herde zweifelt das auch nicht an. Sie drehen ab und verschwinden in der Dunkelheit. Mira wiehert warnend hinterher, man hört noch in der Ferne die davon galoppierenden Pferde. Der Spuk ist vorbei. Wir kuscheln uns wieder in unsere Schlafsäcke und der Rest der Nacht bleibt ruhig.


 Weiter geht es entlang des Cañada Real Soriana Occidental. Der Weg führt an der Westflanke des Gebirgszuges entlang. Immer wieder erschweren tiefe Einschnitte der Querbäche das Weiterkommen, machen es anchmal auch unmöglich. Dann folgen wir der Schlucht solange bergauf, bis sie ohne zu großes Risiko für die Pferde passierbar wird. Als die Sierra allmählich in die Ebene übergeht, verlassen wir zwangsläufig das noch gemäßigte Klima der Berge. Es wird mit jedem Kilometer heißer und trockener.


 Die Cañada, zu Beginn unserer Reise zuverlässige Wasser- und Futterreservate, werden, was das betrifft, immer unsicherer. Die Wasser führenden Querbäche gibt es nicht mehr. Wir orientieren uns bei der Streckenplanung daher ab jetzt an Wasserläufen. Aber jetzt Mitte Juni sind praktisch alle Bäche, die arroyos, ausgetrocknet, und auch viele der in den Karten eingezeichneten "rios" sind maximal noch Rinnsale.


 Auch wird es immer schwieriger, geeignete Fleckchen als Quartier für die Nacht zu finden. Es ist nicht immer leicht, im richtigen Moment zu entscheiden, ob wir weiter gehen, oder besser hier bleiben sollten. Das Risiko, später keine geeignete Stelle mit Gras und Wasser zu finden, ist hoch.


 Die machbaren Tagesetappen richtet sich von nun an nach diesen Kriterien. Es ist anstrengend, aber wir haben Glück und finden auch weiterhin immer einen geeigneten Platz.


 Km 1696 am 26.6.2011 Abioncillo de Calatañazor.
Die Luft flimmert. Wir glauben an eine Fatamorgana. Als wir näher kommen, verändert sich unser Bild aber nicht. Vor uns breitet sich eine für unser geschrumpftes Vorstellungsvermögen schier endlos erscheinende, in einem leuchtenden Grün erstrahlende Grasfläche aus. Ein kristallklarer kleiner Fluss plätschert und sprudelt in feinen Mäandern mitten durch sie hindurch und verschwindet am fernen Horizont.
Bäume säumen das Flüsschen und versprechen herrlich kühlen Schatten. Hier bleiben wir. Verschnaufen. Entspannen, ausruhen und weiter planen. Das Fünfseelendorf, zu Anfang sehr misstrauisch, erweist sich als Oase der Herzlichkeit. Wir dürfen in einem kleinen Casa Rual von Miguel wohnen und unsere beiden Schätze genießen den kühlen Schatten und das saftige Gras. Es ist heiß, aber immer wieder weht ein leichter Wind durch das breite Tal und kühlt die schwitzenden Körper. Norbert, der wunderschöne, kunstvolle kleine Holzschatullen herstellt (-> Tronquitos), ist vor vielen Jahren hier hergezogen, hilft uns mit Internet und seinen Ortskenntnissen.


 Ro arbeitet wieder an der Route. Die Karten verheißen eine weitere lange Etappe mit steppen- bis wüstenähnlichen Bedingungen – und das in dieser Jahreszeit.
Was tun?
Lange können wir nicht in diesem kleinen Paradies bleiben. Auch der grünste Flecken Gras ist einmal abgeweidet. Während unserer Recherchen, erfahren wir von einem Reitstallbesitzer in der Nähe von Tarazona/Tudela. Wir telefonieren, und drei Stunden später steht er mit einem kleinen "Pferdetransporter" auf der Wiese.


 Wir führen Aponi zunchnächst vorwärts in den Kleintransporter, und drehen sie dann darin um, so dass sie mit dem Kopf nach hinten schaut, da es dort mehr Kopffreiheit gibt. Dann folgt Amira, und wir waren fast schon der Überzeugung, das man ein zweites Pferd in diesem kleinen Laderaum eigentlich unmöglich auch noch umdrehen kann. Doch auch Amira folgt wie selbstverständlich in den kleinen dunkelen Kasten, und biegt sich und schafft es tatsächlich sich neben Aponi umzudrehen - Das hätte ich nicht gedacht! Wieder einmal bestätigt sich das unglaubliche Vertrauensverhältnis das unsere Pferde zu uns und wir zu ihnen haben. Wir sind mittlerweile wie eine eingeschworene Familie und ich glaube, sie würden uns überall hin folgen... Wir winken noch einmal der kleinen grünen Oase zum Abschied und ziehen mit Sack und Pack um.


 Im Stall „Campo Alegre“ von Jose Angel und seiner Frau Mabel (-> Campoalegre) bekommen Aponi und Amira ein eigenes Appartement, herrlich beschattet und luftig. Tagsüber gibt es Stroh und ein wenig Hafer wie allgemein üblich in Spanien - Heu haben wir so gut wie nirgens gesehen. Für uns wird kurzer Hand eines der Kinderzimmer frei geräumt. (Vielen vielen Dank an dieser Stelle euch lieben!!!)


 Tagsüber ist viel Betrieb auf dem Hof. Die Ferienkinder werden in einer Mischung von Unterricht und Freizeit in Englisch unterrichtet und nachmittags wird etwas mit den Pferden unternommen. Über Nacht, wenn es angenehm kühl ist, dürfen unsere beiden das Grün rund um die Stallgebäude abweiden. Jose Angel unterstützt uns bei der Planung. Er selbst bietet Wanderritte in die weitläufige Region an.
Nicht weit entfernt befindet sich die Sierra de Guara, ein 2000m hohes Gebirge mit einer westlich vorgelagerten, beeindruckenden Wüstenlandschaft die wir durchqueren müssten. Für einen organisierten Ritt mit Futtertransport eine spannende und empfehlenswerte Unternehmung. Für uns und vor allem unsere Pferde ist es weniger verlockend.


 Zwischenzeitlich erreicht uns die Nachricht von einem Freund. Er habe von einer großen Dürre in Süd-Frankreich erfahren. Kein Futter für die Pferde. Das Vieh wird mancherorts frühzeitig geschlachtet. Wir überlegen hin und her.
Wir wollen weiter, wollen aber auch unsere Pferde jetzt in der heissesten Zeit des Jahres nicht diesen extremen Bedingungen aussetzen, und das Risiko eingehen, nicht ausreichend Wasser und Futter zu finden. Jose Angel bietet sich an, uns ein Stück zu transportieren. So würden wir zumindest diese Wüste hinter uns bringen und wieder in die größeren Höhen der Pyrenäen, mit mehr Wasser und Futter gelangen.


 122km Luftlinie werden überbrückt und unser Zeitplan, den wir für die Pyrenäen-Überquerung gesetzt hatten, entspannt sich ein wenig.
Ab hier sind wir zu fünft – Riki, unser neues kleines Familienmitglied ist mit großem Eifer bei der Sache.


 


 Da sind sie, die Pyrenäen. Bei Roncesvalles satteln wir endlich wieder auf. Wir gehen auf Nummer sicher und orientieren uns ausnahmsweise am Jacobsweg, allerdings in entgegen gesetzt Richtung Saint Pierre du Port. Eine Schlechtwetterfront fordert uns wieder einmal heraus. Es herrscht Sturm und Regen. Die Wolken pfeifen uns um die Ohren. Die Steigungen wollen kein Ende nehmen, werden im Gegenteil immer noch - und immer noch etwas steiler, als wenn der Berg sagen wollte, habt ihr noch nicht genug??? Durch den Regen ist das lose Gestein rutschig und erfordert absolute Konzentration. Schritt für Schritt erkämpft jeder für sich Meter um Meter.
Es wird Abend. Im Wolkennebel teilweise keine Sicht mehr zum nächsten Baum, finden wir doch eine Wasserstelle und ein Stück Weide. Dieses Fleckchen kommt uns vor wie ein Geschenk des Himmels. Der Körper nass geschwitzt, die Beine schmerzen, die Finger steif gefroren, der Kopf dröhnt. Ich habe das Gefühl, ich breche auseinander. Ro ist ebenfalls erschöpft, hat aber noch mehr Reserven und übernimmt den Großteil des Lageraufbaues und die Versorgung der Pferde. Wir reden kein Wort mehr. Alles läuft automatisiert. Ich falle in einen traumlosen Schlaf.


 Am nächsten Morgen hat der Sturm nachgelassen. Es fällt noch ein feiner Sprühregen. Wir halten uns nicht lange mit Frühstücken auf, bauen ab und ziehen wieder los.
Als wir ca. zwei Stunden später in den Französischen Teil des Gebirges einreiten, öffnet sich unvermutet der Himmel. Die Wolken treiben noch in hoher Geschwindigkeit um die Bergketten, aber immer öfter erlauben Lücken einen Blick auf die traumhafte Landschaft. Die schroffe, im Sturm alles fordernde spanische Seite wird abgelöst durch ein mächtiges, über alles erhabenes Hügelland der französischen Pyrenäen. Es ist als fiele man ganz sanft in den Geborgenheit spendenden Schoß der Mutter.


 


 Am späten Nachmittag erreichen wir die ersten Höfe und finden an einer Gite einen Lagerplatz für die Nacht. Wenn es eine Dürre in Frankreich gibt, bis hier her ist sie nicht vorgedrungen. Während die Pferde sich über das saftige Gras her machen, lassen wir uns in der Gite mit einem leckeren drei-Gänge-Menue verwöhnen.
Wie Ro es immer wider schafft ist mir ein Rätsel. Wir durchqueren Südfrankreichs Süden und finden das saftigste Gras, an das wir uns zuletzt in Litauen erinnern können. Die Franzosen sind offen und herzlich. Es ist dicht besiedeltes Agrarland und wir müssen fast immer fragen, ob wir unser Lager aufschlagen dürfen. Uns werden Türen und Tore geöffnet. Ein wunderbares Land zum Reisen, wenn man es aus Pilger-Sicht betrachtet.


 Für uns ist es, abgesehen von den vielen netten Menschen und der schönen Landschaft, eher ermüdend. Die Wege sind wie beim Jacobsweg üblich größtenteils geteert und es ist schwierig, eine durchgehende Etappe abseits der Pilgerroute zu finden.
Schon auf der 25.000er Karte ist das sehr schwierig, aber die wenigen zusammenhängenden Wege, die eingezeichnet sind, erweisen sich häufig auch als Sackgassen. Sie sind in der Wirklichkeit durch Viehweiden abgetrennt oder enden einfach im Unterholz - zugewachsen, weg. Somit schwenken wir immer wieder zurück auf den asphaltierten Jacobsweg, dem wir eigentlich entkommen wollen. As einer der vermutlich meist begangenen Fernwanderwege der Welt, kommen uns entsprechend viele Wanderer entgegen, was durchaus auch schöne Seiten hat! Es ergeben sich immer wieder kleine Gespräche, und ab und an übernachten wir in einer Pilger-Gite. Da treffen wir die verschiedensten Charaktere. Nicht selten geht es, wenn uns die Vokabeln ausgehen, mit Händen und Füßen weiter.
Am liebsten bleibt uns das Klavierspiel eines Belgiers in Erinnerung. Er hatte an diesem Abend zu dem noch Geburtstag. (Vielleicht liest du das hier gerade, lieber Christoph? Du kannst wundervoll spielen! Danke für die kleinen Kostproben!)


 Da wir zum Abschluss unserer Reise noch einmal schöne unbefestigte Wege bereiten wollen, folgen wir nicht weiter der geplanten Route durch das Zentralmassiv, sondern schwenken ab gen Norden. Auf der Karte zeigt sich hier ein großes Gebiet, das Sand- und Waldboden verspricht, ähnlich wie das der Senne in unserer Heimat. Und genau so ist es dann auch. Wir atmen nach dem ganzen Pilger-Trubel noch einmal richtig durch, geniessen die Ruhe und die abgeschiedenen Übernachtungsplätze.


 Die ein einhalb Jahre Freistellung von Sabine geht langsam dem Ende entgegen und wir geniessen noch einmal das freie, teilweise auch abenteuerliche Leben, wie wir es in dieser Zeit führen durften. Unseren Pferden geht es weiterhin gut, oder besser gesagt, es geht ihnen vermutlich viel besser als noch vor unserer Reise. Sie gingen ausser bei einem Hufgeschwür niemals lahm, oder hatte die sonst so häufigen Verspannungen und Rückenprobleme. Wir sind die ganze Zeit mit einem gewöhnlichen Knotenhalfter geritten - eher locker nach vorne, als immer krampfhaft auf eine bestimmte im FN-Kopf einprogrammierte "Idealstellung" bedacht - unsere Pferde danken es uns mit Lockerheit, Fittness und beschwerdefreien 4000km mit Reiter und Gepäck.
Und Amira wird vermutlich in die Weitreitergeschichte eingehen als das erste Pferd, das auf einem 4000km-Ritt immer noch zunimmt!


 Km 2048, 13. August.
In der Nähe von Bordeaux schließt sich der Kreis. Angie und Hansi, unsere Transporteure nach Portugal holen uns dort ab. Die Wiedersehensfreude ist groß und wir können hier nur wieder sagen: „Vielen, vielen Dank, ihr beiden! Ohne Euch und euer tolles Angebot wäre wir vermutlich niemals so gut hin und wieder heim gekommen!“


 Wir habe auf unserer Reise ein paar sehr liebe Menschen kennen gelernt. Menschen kommen und gehen in einem Leben. Diese Menschen bleiben in unseren Herzen verankert! Habt vielen Dank, ihr alle! Und wir haben ein großes Abenteuer und eine wunderschöne Zeit mit unseren Pferden und auch dem kleinen Riki erlebt. Insgesamt über 4000km quer durch Europa, größtenteils abseits der Zivilisation, kein Lärm, keine Ablenkung, keine Uhr, kein Terminkalender und kein Telefon. Waschen im Fluss, kochen auf dem Feuer, schlafen unter den Sternen, föhnen im Wind… Alles was wir taten und tuen mussten, hatte unmittelbaren Sinn. Ein Leben nah an den Wurzeln - ja, definitiv die intensievste Zeit unseres Lebens bisher… Wir sind sicher, dass auch unsere Pferde und Riki diese Freiheit sehr genossen haben. Danke an alle sichtbaren und unsichtbaren Mächte, das wir nie in wirklich ernsthafte Probleme gerieten und ganz besonders dafür, dass wir immer so gut für unsere Pferde sorgen konnten, und sie nun, nach den ganzen Erlebnissen noch besser aussehen, als vor der Reise! Ja, das macht uns stolz…


 Unsere Hufschuhe! 4000km waren wir mit ihnen unterwegs ohne jemals ernsthaft Probleme zu haben. Besonders Aponi, als ehemals schlechte Barhuf-Läuferin (und die hatte wirklich eine extrem schlechte Hornqualität), liebt sie heiß und innig - streckte uns fast schon den Huf entgegen wenn wir mit den Schuhen auftauchten. Sie hielten bei uns mindestens 1600km und maximal 2500km. Super diese Easyboot Glove und noch einmal ganz herzlichen Dank für die tolle Unterstützung von Easycare und Hufshop.


 Auch ein herzliches Danke an das wirklich kompetente Team des Reiseausstatters Lauche & Maas (-> Lauche&Maas). Für viele Themengebiete gibt es dort einen Spezialisten, der nicht nur den Katalog kennt, sondern sich häufig durch eigene Erfahrung mit den Produkten auskennt - und auch schon mal mit der Briefwaage ins Lager geht, um z.B. das Gewicht eines Regenponchos zu checken - einfach toll!!!


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 PAPA!

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